Digitaler Lesekreis – Die besten Tipps für Deine virtuelle Buchbesprechung

In Zeiten von Social Distancing ist es nicht immer einfach, den Kontakt zu Freund:innen zu pflegen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Zum Glück gibt es manche Aktivitäten, die sich hervorragend auch online per Videokonferenz umsetzen lassen. Für alle Literaturfans haben wir die perfekte Idee: ein digitaler Lesezirkel.

Inspirationen für Deine virtuelle Leserunde mit Freund:innen

Jedes Mal, wenn ich in die Welt eines Buches eintauche, heißt es Film ab in meinem ganz persönlichen Kopfkino: Die Charaktere und Ideen regen mich immer wieder aufs Neue zum Nachdenken an und begleiten mich oft mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen. Am schönsten finde ich es, meine Gedanken mit anderen zu teilen und unsere Eindrücke von einem Buch zu vergleichen, deshalb habe ich mich vor einiger Zeit einem Lesezirkel angeschlossen, in dem wir nun schon mehrere Bücher besprochen haben.

In einem Lesezirkel oder Lesekreis trifft man sich regelmäßig in einer kleinen Gruppe, um gemeinsam über ein Buch zu diskutieren. Im Idealfall haben alle Mitglieder das Buch vorher gelesen und können ihre Eindrücke miteinander teilen und mit Ideen und Fragen zur Diskussion beitragen. Es ist eine schöne Möglichkeit, um Meinungen auszutauschen und ganz neue Bücher und Genres zu entdecken, auf die man sonst vielleicht nicht gestoßen wäre. Vor allem während des Lockdowns lässt sich die Literaturrunde wunderbar auch digital umsetzen, so kann man auch auf Distanz Zeit mit Freund:innen verbringen.

Aber wie kommt man in solch einen Lesekreis? Wie organisiert man ihn? Und allem voran: Wie findet man das richtige Buch für die eigene Literaturrunde? In diesem Artikel habe ich für Dich die wichtigsten Punkte zusammengefasst und 8 Buchtipps vorbereitet.

Wie findet man den passenden Lesezirkel?

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, sich einer bereits existierenden Leserunde anzuschließen, oder man gründet einfach selbst eine. In beiden Fällen lohnt es sich, im Freundes- und Bekanntenkreis nachzufragen, und auch unter Deinen Arbeitskolleg:innen versteckt sich möglicherweise der ein oder andere Bücherwurm. Auch ein Blick auf entsprechende Social-Media-Accounts kann hilfreich sein, so habe ich beispielsweise meinen Lesekreis über die Instagram-Seite einer Bloggerin entdeckt.

Wenn sich Personen mit mehr oder weniger ähnlichen Interessen zu einem Lesezirkel zusammenschließen, fällt die Buchauswahl oft leichter. So lernt man neue Bücher kennen, muss sich aber nicht allzu weit aus der eigenen Komfortzone begeben. Ist man hingegen sehr experimentierfreudig und möchte völlig neue Literaturgattungen für sich entdecken, bietet sich ein bunter Mix aus Leser:innen unterschiedlichster Genres an.

Damit eine sinnvolle Diskussion entsteht, es währenddessen aber nicht zu chaotisch wird, sollte die Gruppe erfahrungsgemäß aus mindestens vier und maximal zehn Mitgliedern bestehen. Bei der Planung eines virtuellen Literaturkreises kann eine kleinere Gruppe von Vorteil sein, da es in Videokonferenzen schnell unübersichtlich werden kann. Du solltest aber auch bedenken, dass häufig nicht die gesamte Gruppe zusammenfindet, da einige spontan verhindert sind.

Wie organisiert man einen Lesekreis?

Ob und wie viel man im Voraus plant, ist natürlich Geschmackssache. Schließlich soll der Lesekreis vor allem eins: Spaß machen! Wer nichts für Planung übrig hat, kann sich mit seiner/ihrer Gruppe einfach auf ein Buch und einen Zeitpunkt einigen und wild drauf losdiskutieren. Bei uns hat es sich jedoch bewährt, etwas Struktur in die Diskussion zu bringen. Grundsätzlich gehen wir bei der Planung folgendermaßen vor:

  1. Ein Buch auswählen: Dabei kann jede:r seine/ihre Ideen in die Runde werfen, und schlussendlich wird abgestimmt, welches Buch man als nächstes diskutiert. Vor allem (populär)wissenschaftliche Texte können auch ausschnittsweise besprochen werden, so ist es nicht zwingend notwendig, das ganze Buch zu lesen. Für diejenigen, die ein bisschen Inspiration brauchen, stelle ich weiter unten einige Buchtipps für Lesekreis-Einsteiger:innen vor.
  2. Einen Zeitraum festlegen: Hat die Gruppe ein passendes Buch gefunden, entscheidet man gemeinsam, wie viel Zeit man sich dafür nehmen möchte. Für die Wahl des konkreten Termins verwendet man am besten ein Abstimmungs-Tool. Je nachdem, wie schnell die einzelnen Gruppenmitglieder lesen, wie umfangreich das Buch oder wie komplex das Thema ist, sind es in meinem Lesekreis meist zwischen vier und sechs Wochen. Alternativ kann man auch einen festen Rhythmus für die virtuellen Treffen festlegen, wie etwa jeden ersten Mittwoch im Monat.
  3. Diskussionsfragen überlegen: Wer etwas Struktur in die Buchbesprechung bringen möchte, kann sich bereits vor dem Lesen Fragen überlegen, anhand derer sich die Gruppe orientieren kann. Sollten sich im Leseprozess ganz neue Themen erschließen, kann man die Fragen entsprechend anpassen oder ergänzen. Selbstverständlich muss auch bei der Diskussion nicht starr am Fragenkatalog festgehalten werden. Wenn das Gespräch sich spontan in eine andere Richtung entwickelt, umso besser. Vielmehr geht es darum, einen Einstieg die Thematik zu finden und längere Gesprächspausen zu überbrücken.

Diskussionsfragen für Deinen Lesekreis

Welche Diskussionsfragen sich für Deine virtuelle Buchbesprechung am besten eignen, hängt stark vom jeweiligen Buch und Genre ab. Während es bei Sachbüchern für gewöhnlich um Learnings oder Erkenntnisse geht, stehen bei Romanen oft andere Dinge wie etwa Sprache, Charakterentwicklung oder Erzählstruktur im Vordergrund. Als kleine Anregung habe ich hier beispielhaft einige allgemeine Fragen für eine Diskussion von Romanen beziehungsweise Sachbüchern zusammengetragen.

Romane

  • Erzähler:in, Handlung: Wie präsent ist der/die Erzähler:in? Gibt es nur einen Handlungsstrang, oder finden mehrere Handlungen parallel statt? Was sind die zentralen Themen?
  • Charaktere: Machen die Charaktere eine Entwicklung durch? Welche Ereignisse prägen sie? In welcher Beziehung stehen sie zueinander und inwiefern beeinflussen sie einander? Findest Du bestimmte Charaktere besonders (un)sympathisch?
  • Setting, Storytelling: Wie wird die Umgebung beschrieben? Kann man sich als Leser:in gut in die Story hineinversetzen?
  • Sprache: Wie wird Sprache eingesetzt? Treten bestimmte Stilmittel gehäuft auf (z.B. Humor, Sarkasmus)? Gibt es bestimmte Motive, die sich durch das ganze Buch ziehen?
  • Spannung, Handlungsverlauf: Wodurch wird Spannung erzeugt? Gibt es eine klare Unterscheidung zwischen Gut und Böse? War das Ende für Dich ab einem gewissen Zeitpunkt vorhersehbar? Bei einem offenen Ende: Wie könnte die Geschichte weitergehen?

Sachbücher:

  • Thematik: Wie aktuell ist das beschriebene Thema? Wie relevant ist es für Dich persönlich? Begegnet es Dir bereits in Deinem Alltag? Wirst du Dich in Zukunft mehr damit beschäftigen? Hat das Buch Deine Meinung zu dem Thema beeinflusst?
  • Verständlichkeit: Wie gut führt der/die Autor:in die Leser:innen in das Thema ein? Sind alle Aspekte verständlich und nachvollziehbar? Werden Themen ausführlich geschildert oder bloß angerissen?
  • Betrachtungsweise: Werden unterschiedliche Standpunkte beleuchtet, oder ist die Betrachtung einseitig?
  • Unterhaltungsfaktor: Ist das Buch nur informativ, oder auch unterhaltsam?
  • Erkenntnisse, Bewertung: Welche Erkenntnisse nimmst Du aus dem Buch mit? Würdest Du es Anderen empfehlen? Warum (nicht)?

Einige Verlage, wie etwa Dumont oder Hanser, bieten auf ihrer Website sogar eigens zusammengestellte Kataloge mit Diskussionsfragen zu einzelnen Büchern an. Diese sind meist auf konkrete Figuren, Motive oder Handlungen bezogen. Für diejenigen, die nach sehr spezifischen Diskussionsthemen suchen, lohnt es sich auf jeden Fall, einen Blick hineinzuwerfen.

Wie läuft eine virtuelle Buchbesprechung ab?

Auch was den Ablauf des virtuellen Treffens angeht, sind Eurer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Abhängig von der Gruppengröße und davon, wie sehr man bei der Buchbesprechung ins Detail gehen möchte, sollte man etwa eineinhalb bis zweieinhalb Stunden für die Diskussionsrunde einplanen. Wir bereiten immer kleine Snacks und ein Gläschen Wein beziehungsweise Limo vor und schalten uns zu einer Videokonferenz zusammen. Zunächst einmal teilt jede:r seinen/ihren Gesamteindruck von dem jeweiligen Buch mit den anderen und danach gehen wir die vorher festgelegten Fragen durch.

Dies kann sehr flexibel gestaltet werden: Bei manchen Büchern hält man enger am Plan fest, bei anderen entwickelt sich das Gespräch von alleine und der Fragenkatalog rückt schnell in den Hintergrund. Zum Schluss bietet es sich an, gleich den nächsten Termin auszumachen und die ersten Buchvorschläge für die nächste Runde in den Raum zu werfen.

8 Buchtipps für Deinen Lesekreis

Nachdem Du nun weißt, wie Du Deinen persönlichen Lesezirkel findest, organisierst und umsetzt, fehlt nur noch eins: das passende Buch. Hier kommt deshalb etwas Inspiration für fast jeden Geschmack; ob Sachbuch oder Roman, Fakten oder Fiktion, informativ, provokativ oder zum Wegträumen schön.

„Das Haus der Frauen“ von Laetitia Colombani (FISCHER E-Books)

Die erfolgreiche Anwältin Solène stellt nach einem Zusammenbruch ihr komplettes Leben in Frage. Sie sucht Zuflucht im „Haus der Frauen“, einem Haus in Paris, welches für alle Frauen dieser Welt einen Rückzugsort bieten soll. Dort kommt sie in Kontakt mit den Bewohnerinnen und schreibt in deren Auftrag Briefe - an die Ausländerbehörde, den Liebhaber, den zurückgelassenen Sohn in Guinea. Überwältigt von der Magie des Hauses fragt sich Solène: Wer war Blanche Peyron, die Heldin, die vor hundert Jahren allen Widerständen zum Trotz diesen Schutzort schuf?

In ihrem neuen Roman „Das Haus der Frauen“ erzählt Laetitia Colombani von starken Frauen und dem Glück des Zusammenhalts. Die Schicksale der Bewohnerinnen könnten unterschiedlicher nicht sein und werden in der Geschichte miteinander verwoben. Spannend ist auch der Einblick in das Leben der historischen Person Blanche Peyron, die in den 1920er Jahren in Paris den "Palais de la femme" gründete. Die im Bestsellerroman aufgegriffenen Themen wie Mut und Solidarität sind immer aktuell und bieten reichlich Diskussionsstoff für Deinen Lesekreis.

„Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmonger (FISCHER E-Books)

Erst wird ein junger Mann unbekleidet und halbtot an Land gespült, dann strandet ein Wal. Die dreihundertsieben Bewohner:innen des Fischerdorfs St. Piran spüren sofort, dass etwas Sonderbares vor sich geht. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Mann um einen Londoner Investmentbanker handelt. Dieser hat ein Computerprogramm entwickelt, das Vorhersagen in komplexen ökonomisch-politischen Zusammenhängen treffen kann. Niemand der Dorfbewohner:innen ahnt, wie existentiell ihre Gemeinschaft bedroht ist. Und vielleicht auch die ganze Welt. Denn letztendlich hängt alles mit allem zusammen.

„Der Wal und das Ende der Welt“ ist eine mitreißende Geschichte über das, was uns als Menschheit zusammenhält. In seinem Roman stellt John Ironmonger die wichtigen Fragen: Wissen wir genug über die Zusammenhänge unserer globalisierten Welt? Und wie können wir bestmöglich handeln, wenn alles auf dem Spiel steht? Fragen, die gerade jetzt besonders aktuell sind.

„Aller guten Dinge sind zwei“ von Mhairi McFarlane (Knaur eBook)

Von einem Tag auf den anderen wird die 36-jährige Laurie von ihrer großen Liebe Dan verlassen. Dieser will sich selbst neu finden, wie er sagt – eine Neue hat er allerdings auch schon gefunden. Dass Dan und Laurie in derselben Anwaltskanzlei arbeiten und ihre Trennung die Gerüchteküche im Büro zum Brodeln bringt, macht die Situation für Laurie auch nicht leichter.

Als Laurie eines Abends mit ihrem als Weiberheld verrufenen Kollegen Jamie im Fahrstuhl stecken bleibt, kommen die beiden gezwungenermaßen ins Gespräch. Sie stellen fest, dass sie einander von Nutzen sein könnten, und hecken gemeinsam einen fast perfekten Plan aus. Dabei geht es nur um ein bisschen Schauspielerei. Oder?

Dieser unterhaltsame Liebesroman von Mhairi McFarlane vereint Herzschmerz und Romantik mit typisch britischem Humor. Mit flotten Dialogen voller Wortwitz erweckt die Bestseller-Autorin ihre Charaktere zum Leben und bereits nach wenigen Seiten fühlen die Figuren sich wie Freund:innen an.

„Der Fahrer“ von Andreas Winkelmann (Rowohlt E-Book)

Du hattest einen furchtbaren Tag und einen Drink zu viel, sodass Du nicht mehr mit dem Auto nach Hause fahren kannst. Zum Glück gibt es MyDriver, eine App, mit der man jederzeit ein Auto samt Fahrer:in bestellen kann. Aber Du kommst nie zu Hause an …

Überall in ganz Hamburg verschwinden junge Frauen, die nachts unterwegs waren. Kommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca Oswald ermitteln voller Tatendrang – und haben gleichzeitig auch mit privaten Herausforderungen zu kämpfen. Während Jens sich seiner Vergangenheit stellen muss, versucht Rebecca fieberhaft, ihn in die Gegenwart zurückzuholen. Plötzlich verschwindet eine MyDriver-Fahrerin. Auf dem Wagen steht in Leuchtschrift: #findemich …

Der Thriller von Bestsellerautor Andreas Winkelmann bleibt spannend bis zum Schluss. „Der Fahrer“ ist der dritte Fall von Jens Kerner und Rebecca Oswald. Da jeder Fall für sich steht, kann man den Roman aber problemlos lesen, ohne die Vorgänger zu kennen. Neben dem Spannungsverlauf und der Handlung bietet auch die Dynamik zwischen den beiden Charakteren eine interessante Diskussionsgrundlage für Deine Buchbesprechung.

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„Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde (FISCHER E-Books)

Oscar Wildes Dorian Gray ist einer der bekanntesten Charaktere der Weltliteratur: ein gutaussehender und wohlhabender junger Mann, dessen von Ausschweifung und Genuss geprägtes Leben in ihm den Wunsch nach ewiger Jugend weckt. Der Maler Basil Hallward ist fasziniert von seiner Ausstrahlung, und so malt er ein Portrait von Dorian Gray und überlässt es ihm. Basils Aufmerksamkeit lässt Dorian Grays ohnehin starkes Selbstvertrauen in Arroganz umschlagen und sein Verhalten wird zunehmend maßlos, grausam und rücksichtslos. Als er nach einer Weile erneut vor dem Gemälde steht, scheint sich daran etwas verändert zu haben.

„Der einzige Weg, eine Versuchung loszuwerden, ist, ihr nachzugeben.“

„Das Bildnis des Dorian Gray” ist ein intensiver Roman über Dekadenz, Moral und Oberflächlichkeit. Das Buch ist reich an starken Charakteren und erzeugt durch seine mystischen Elemente eine ganz besondere Stimmung. Auch philosophische Fragen und Motive wie Schönheit und Vergänglichkeit sind eine wunderbare Grundlage für Diskussionen.

„Das große Buch vom Schlaf“ von Matthew Walker (Goldmann)

„Je kürzer man schläft, desto kürzer lebt man.“

Mit diesem Satz bringt Matthew Walker, Direktor des Schlaflabors der UC Berkeley, die Folgen des Schlafmangels auf den Punkt. In seinem internationalen Bestseller teilt er die bahnbrechenden Erkenntnisse seiner Forschung und verdeutlicht die enorme Wirkung der Nachtruhe. Denn obwohl Schlaf einer der wichtigsten Aspekte eines gesunden, langen und glücklichen Lebens ist, wird er häufig unterschätzt. Dabei macht uns der richtige Schlaf klüger und produktiver, beugt Krankheiten wie Krebs und Demenz vor und stärkt nachhaltig unser Immunsystem.

„Das große Buch vom Schlaf“ (im Original „Why We Sleep“) ist informativ und gleichzeitig unterhaltsam. Walker schafft es, den Leser:innen komplexe biologische Vorgänge anhand von greifbaren und oft amüsanten Vergleichen leicht verständlich nahezubringen. Auch die persönlichen Anekdoten machen das Buch sehr kurzweilig. Wie hat sich Schlaf entwickelt? Warum träumen Menschen? Matthew Walker gibt uns einen interessanten Einblick in die Welt des Schlummers und bietet mit diesem alltäglichen Thema definitiv genügend Raum für Diskussionen.

„Untenrum frei“ von Margarete Stokowski (Rowohlt E-Book)

„Untenrum frei“ ist ein aus dem Leben gegriffenes, feministisches Buch mit scharfsinnigem Blick für alltägliche Details; persönlich, provokant und befreiend. Es gibt den Leser:innen interessante Denkanstöße und ist dabei wahrlich keine leichte Kost. Autorin und Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski schreibt in ihrem Debüt über die kleinen schmutzigen Dinge und über die großen Machtfragen. Sie beschäftigt sich damit, wie die Freiheit im Kleinen mit der Freiheit im Großen zusammenhängt, und letztendlich zeigt sich: Es handelt sich um ein und dieselbe Freiheit.

Stokowski nimmt uns mit in ihre frühe Jugend und erzählt von dem Wunsch, unbedingt als Mädchen wahrgenommen zu werden, von mangelhaftem Aufklärungsunterricht, von Gewalterlebnissen, Sex, Liebe und Feminismus. Ihre eindrucksvoll geschilderten persönlichen Erlebnisse werden mit philosophischen, politischen und wissenschaftlichen Analysen untermalt, welche zeigen: Es gibt genügend andere Frauen auf der Welt, die die Erfahrungen der Autorin teilen. Dennoch: „Wenn ich Geschichten aus meinem Leben erzähle, dann nicht, um langsam, aber sicher ein Bild von mir als Vollopfer aufzubauen“, schreibt Stokowski. Vielmehr geht es ihr um eine „Ent-Opferung“. So legt sie auf intelligente und humorvolle Weise dar, wie politisch das Private noch immer ist.

„Der Feminismus erklärt mir nicht, warum der Bus nicht auf mich wartet. Aber er erklärt mir, warum ich mich für mein Zuspätkommen entschuldigen werde, auch wenn ich nicht schuld war, sondern der Bus zu früh gefahren ist. Er erklärt mir, warum viele der Frauen, die ich kenne, sich auch noch entschuldigen würden, wenn sie von einem Meteoriten getroffen werden.“

„Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ von Alice Hasters (Tacheles!)

„Woher kommst du eigentlich?“ „Darf ich mal deine Haare anfassen?“, „Du kannst doch gar keinen Sonnenbrand bekommen, oder?“ Warum solche Fragen rassistisch sind, wollen weiße Menschen oft nicht hören, denn sie sind ja überhaupt nicht böse gemeint und zeigen bloß Interesse am Gegenüber. Alice Hasters erklärt es trotzdem. Sie beschreibt ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland und zeigt, wie dieser von Rassismus geprägt wird. Dabei wird klar: Rassismus ist nicht nur ein Problem am rechten Rand der Gesellschaft.

Dieses Buch greift ein unfassbar relevantes Thema auf und regt zum Nachdenken an. Es öffnet den Leser:innen die Augen, bietet eine andere Sichtweise auf vermeintlich „normale“ Dinge und eignet sich somit bestens als Grundlage für eine interessante Diskussion. Sich mit dem eigenen Rassismus zu konfrontieren mag im ersten Moment erschreckend sein, ist aber der einzige Weg, um diesen zu überwinden.

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