Migräne? Warum Du tatsächlich Superkräfte hast

Kopfschmerzen können richtig nervig sein, aber Migräne beamt Betroffene regelrecht aus dem Leben. Auch die Journalistin und Autorin Bianca Leppert leidet seit über 20 Jahren an dieser Krankheit. Im Interview verrät sie, wie sie mit der Migräne ihren Frieden schloss und durch sie ihre Superpower entdeckte.

Leben mit Migräne

„Stell Dir vor, Du hast den schlimmsten Kater Deines Lebens, aber in der Nacht davor keinen Spaß gehabt.“ – Bianca Leppert

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Bianca, wie kamst Du dazu, ein Buch über Migräne zu schreiben?

Es gibt sehr wenig Aufklärung über Migräne und zu viele Mythen – das wollte ich ändern. Außerdem habe ich selbst ein Buch zu Migräne gesucht und es gab einerseits Fachbücher von renommierten Ärzten, andererseits Bücher, die wenig wissenschaftlich fundiert sind. Mir fehlte so ein bisschen die Mischung aus Fakten und Unterhaltung, etwas, bei dem man auch mal schmunzeln muss und sich verstanden fühlt – mit Migräne hat man manchmal ohnehin wenig zu lachen. Deshalb habe ich mir als freie Journalistin mit über 20 Jahren Migräne gedacht, ich schreibe einfach selbst ein Buch, das eine Mischung aus wissenschaftlichen Fakten, persönlichen Erfahrungen und Experteninterviews ist – und das auf humorvolle Weise.

Welche Superkräfte hast Du?

Alle Menschen mit Migräne brauchen wirklich manchmal Superkräfte, um ihren Alltag zu bewältigen. Eine Migräne-Attacke kann einen sehr schwächen und man hat sie oft mehrmals im Monat. Und tatsächlich sind die Sinne von Menschen mit Migräne besonders geschärft – man hat also tatsächlich Superkräfte. Sie hören oft besser, riechen besser, nehmen mehr wahr. Migräne wird auch als Reizverarbeitungsstörung bezeichnet.

Mit welchen Vorurteilen haben Migräne-Patient:innen heute immer noch zu kämpfen und wie steht es um die Akzeptanz in der Gesellschaft?

Ich wünsche mir, dass Migräne als neurologische Erkrankung wahrgenommen und nicht wie so oft als eine Ausrede für alles Mögliche belächelt wird – Migräne hat beispielsweise viele Gemeinsamkeiten mit Epilepsie. Viele denken aber, es ist einfach nur normaler Kopfschmerz, den ja jeder schon mal hatte. Man soll sich halt nicht so anstellen. Weil es eine unsichtbare Erkrankung ist, wird sie oft nicht ernst genommen. Ich habe mir schon oft lila Punkte auf der Stirn gewünscht, damit jeder, wie bei einer Erkältung, wenn jemand die Nase läuft, auch erkennen kann, wenn ich Migräne habe.

Du schreibst, Migräne hat ein sehr individuelles Krankheitsbild. Was hilft Dir, wenn Du mal wieder eine Attacke bekommst, und welche Tipps hast Du für andere Betroffene in einer akuten Attacke?

Ich beschreibe es gerne so: Stell Dir vor, Dir ist so übel wie mit einer Magen-Darm-Grippe, Du bist so schwach wie mit einer Fieber-Grippe und hast die schlimmsten Kopfschmerzen Deines Lebens. Und das mehrmals im Monat ohne Vorankündigung. Das ist Migräne. In einer akuten Attacke hilft es mir, wenn ich mich in einen ruhigen Raum zurückziehen und mich ausruhen kann. Viele sagen, es helfe ihnen, wenn es dunkel ist. Das ist bei mir nicht so wichtig, ich bin eher extrem geräuschempfindlich. Ich nehme dann meine Medikamente so früh wie möglich, denn umso besser wirken sie. Gegen Übelkeit helfen mir oft Ingwertropfen. Den Schmerz lindere ich zusätzlich mit Wärmekissen im Nacken. Wobei andere wiederum auf Kälte auf der Stirn schwören. Das ist sehr individuell. Wenn ich wieder auf dem Weg der Besserung bin, greife ich oft intuitiv zu Cola (weil das Koffein mich aufpäppelt) und fettigem Essen wie Pizza. Es ist, als ob das Gehirn die Energiereserven wieder auffüllen will.

Wie hat Migräne Dein Leben verändert?

Ich habe zwei- bis dreimal im Monat Migräne-Attacken, die ein bis drei Tage dauern. Das schränkt manchmal extrem ein, insbesondere wenn ich gerade beruflich auf Reisen bin – wie zum Beispiel als Formel-1-Reporterin. Unterwegs kann man das natürlich am wenigsten gebrauchen. Ich habe mittlerweile aber gelernt, damit zu leben und sehe sie auch mit Humor – ich habe meiner Migräne zum Beispiel den Namen Erna gegeben, weil ich so besser damit umgehen kann. Ich vertraue auf spezielle Migräne-Medikamente (Triptane) und Prophylaxe-Methoden wie Ausdauersport, ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und Entspannungsübungen.

Wie ist heute der Stand der Forschung zu Migräne? Gibt es Aussicht auf eine Heilung? Verschwinden die Symptome ab einem bestimmten Alter?

Leider gilt Migräne als nicht heilbar im klassischen Sinne. Dafür weiß man auch noch zu wenig über die Ursachen. Es kann sein, dass die Attacken phasenweise weniger werden oder verschwinden, aber die genetische Veranlagung dazu trägt man immer noch in sich. Dann tritt sie vielleicht in anderen Lebensphasen wieder auf. Man kann aber trotzdem viel dafür tun, die Attacken zu reduzieren. Entweder mit medikamentöser oder eben mit nicht-medikamentöser Prophylaxe. In der medikamentösen Prophylaxe war ein Durchbruch in der Forschung die so genannte Migräne-Spritze bzw. die CGRP-Antikörper. Bei der nicht-medikamentösen Vorbeugung spielt Regelmäßigkeit im Schlaf-Wach-Rhythmus, keine Mahlzeiten auslassen, täglich die gleiche Menge an Koffein etc. eine große Rolle. Dass Migräne in den Wechseljahren verschwindet, ist leider ein Mythos. Das kommt zwar vor, gilt aber leider nicht für jeden.

Welche Tipps kannst Du Betroffenen mit auf den Weg geben?

Sich so viel Wissen über Migräne anzueignen wie möglich – nur wer versteht, was bei Migräne im Körper und speziell im Gehirn vor sich geht, kann entsprechend auch damit umgehen und seinen eigenen Teil dazu beitragen, dass es einem besser geht. Es gibt leider nicht die eine Zauberpille oder die eine Therapie, die einen heilt. Stattdessen muss man wirklich sehr individuell einige Puzzleteile zusammensetzen, um Attacken vorzubeugen. In der Forschung wurde Migräne eher vernachlässigt – und selbst viele Ärzte sind nicht darauf spezialisiert. Deshalb ist es wichtig, sich selbst damit zu beschäftigen!

Vielen Dank für das Gespräch, Bianca!

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Wie bei jeder Krankheit kann der Austausch mit Gleichgesinnten wohltuend sein. Auf dem Instagram-Kanal @migraene_superhelden findest Du Anregungen, Tipps und was zum Schmunzeln, aber auch tolle Kommentare von anderen Betroffenen. Und natürlich kannst Du auch Biancas Buch „Ich hab Migräne – und was ist deine Superkraft?“ bei Skoobe lesen oder ihrem gleichnamigen Podcast auf ihrer Website oder auch bei Spotify lauschen.

Weitere Bücher über Migräne

Du willst noch mehr über Deine neue Superkraft erfahren? In diesen eBooks und Hörbüchern haben weitere Expert:innen, Ärzt:innen und Forscher:innen wichtige Erkenntnisse zu Migräne gesammelt:

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