Die Nominierten – Der Deutsche Buchpreis 2020

Bereits letzte Woche wurde die Shortlist für den Deutschen Buchpreis bekannt gegeben. Höchste Zeit also, sich die Titel der Longlist und vor allem die der Shortlist einmal genauer anzusehen, bevor am 12. Oktober der/die finale Preisträger:in bekannt gegeben wird.

15 Jahre Deutscher Buchpreis

Seit 2005 zeichnet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels jährlich den besten deutschsprachigen Roman aus. Die Preisverleihung bildet seit jeher den Auftakt zur Frankfurter Buchmesse. Das Besondere dieses Preises ist, dass auch Titel in die Wertung aufgenommen werden, die sich zum Zeitpunkt der Wertung noch in der Produktion befinden. Seit April 2020 prüfte die sechsköpfige Jury mehrere hundert Titel. Im August wurde bereits die 25 Titel umfassende Longlist veröffentlicht. Letzte Woche war es endlich so weit: Auch die Shortlist wurde nun bekannt gegeben. Am 12. Oktober wird verkündet, welche/r der nominierten Autor:innen das Sieger-Preisgeld von 25.000 Euro erhält.

Einige Titel, die für den Preis infrage kommen, kannst Du auch bei Skoobe entdecken. Welche das sind, haben wir Dir hier zusammengetragen.

Auf der Shortlist

„Die Dame mit der bemalten Hand“ von Christine Wunnicke (Berenberg Verlag)

Der Klappentext dieses Buches erinnert mich ein bisschen an „Schiffbruch mit Tiger“ und verspricht ein ebenso fragenaufwerfender Roman zu sein: 1764 strandet Carsten Niebuhr in Indien, genauer gesagt auf der Insel Elephanta, eine struppige Insel voller Schlangen und Ziegen. Genau so geht es dem Meister Musa. Die beiden Gestrandeten sprechen leidlich Arabisch miteinander, um die paar Tage bis zu ihrer Rettung gemeinsam herumzubringen. Um sich öst-westlich misszuverstehen und freundlich über Stern­bilder zu streiten. Es könnte übrigens alles auch ein Fieber­traum gewesen sein. Doch das steht in den Sternen.

„Annette, ein Heldinnenepos“ von Anne Weber (Matthes & Seitz Verlag)

In diesem Titel erzählt Anne Weber von der wahren Heldin Anne Beaumanoir, die 1923 in der Bretagne geboren wurde. Dort wuchs sie in einfachen Verhältnissen auf, war schon als Jugendliche Mitglied der kommunistischen Résistance und Retterin zweier jüdischer Jugendlicher. Nach dem Krieg arbeitete sie als Neurophysiologin und wurde wegen ihres Engagements auf Seiten der algerischen Unabhängigkeitsbewegung zu 10 Jahren Haft verurteilt. In Frankreich gilt sie als wichtiges Vorbild und wird in der Schule als glänzendes Beispiel für die Wichtigkeit des Ungehorsams behandelt. Anne Weber widmet ihr dieses sprachgewaltige Heldinnenepos.

„Herzfaden. Roman der Augsburger Puppenkiste“ von Thomas Hettche (Argon)

Leider müssen wir uns noch bis zum kommenden Frühjahr gedulden, um den nominierten Titel „Herzfaden“ von Thomas Hettche als eBook bei Skoobe lesen zu dürfen. Aber in das Hörbuch können wir schon mal reinhören, um uns ein Bild von dieser schönen Geschichte zu machen: Ein zwölfjähriges Mädchen entdeckt nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste im Foyer des Theaters eine kleine Holztür, öffnet sie und gerät wie Alice im Wunderland in eine Märchenwelt. Dort warten viele Freunde auf sie: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer und viele andere. Vor allem aber trifft es dort Hatü, die Frau, die einst mit ihrem Vater all diese Marionettenfiguren geschnitzt und gebaut hatte und die eine große Geschichte zu erzählen hat: die Geschichte dieses einmaligen Theaters und der Familie, die es erfunden, gegründet und berühmt gemacht hat.

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Weitere nominierte Titel der Longlist

„Inniger Schiffbruch“ von Frank Witzel (Matthes & Seitz Berlin Verlag)

Die Beschäftigung mit dem Nachlass seines verstorbenen Vaters weckt im Erzähler von Frank Witzels autobiografischem Roman Erinnerungen an eine Kindheit, in der das Fernsehen den Vorabend erfindet. Eine Kindheit voller Disziplinierungsmaßnahmen wie Hausarrest, Tonband- und Fernsehverbot, in der die Eltern ihrem Kind unwissentlich den Schrecken der einst selbst erlittenen Trennung als unentwegte Drohung weitergeben. Eine Kindheit, in der ein Sonntag klar strukturiert, die Kittelschürze für die Hausfrau unabdingbar und die von Erwachsenen erdachte Mondfahrt Peterchens ein Horrorszenario ist wie das der Mainzer Fastnacht. Im unentwegten Zweifel am Wahrheitsgehalt der eigenen Erinnerungen zeigt sich Frank Witzel einmal mehr als ein so nahbarer wie begnadeter Erzähler, dem es gelingt, über das Persönliche den Gemütszustand einer Nachkriegsgesellschaft in der neuen BRD zu erfassen.

„Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler (Tacheles!)

Robert Seethaler erzählt von dem Seilbahnarbeiter Andreas Egger, über den die Zeit hinweggeht, dem Unglück und Glück widerfährt und der am Ende staunend auf die Jahre blickt, die hinter ihm liegen: Als Andreas Egger in das Tal kommt, in dem er sein Leben verbringen wird, ist er etwa vier Jahre alt. Ein Bauer nimmt ihn widerwillig bei sich auf, als junger Mann schließt er sich einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut. Dann kommt der Tag, an dem Egger zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens.

Diesen Titel haben wir Dir schon mal in einer unserer Diese-Woche-neu-Listen vorgestellt: Die namenlose Infantin leidet unter der Schreckensherrschaft ihrer Eltern und den beiden älteren Schwestern, irgendwo auf einem voralpinen Bauernhof. Der Blick ins Buch verrät: In „Die Infantin trägt den Scheitel links“ steckt ein derbes Feuerwerk der Sprachgewandtheit!

„Triceratops“ von Stephan Roiss (Verlag Kremayr & Scheriau)

Ein kleiner Junge malt Monster in seine Schulhefte und spricht von sich selbst als Wir. Seine Mutter schluckt in der geschlossenen Anstalt Neuroleptika mit ungesüßtem Früchtetee hinunter. Der bibeltreue Vater kocht nur Frankfurter und die Schwester bewegt sich wie ein Geist durch das Haus. Die einzigen Vertrauten des Jungen sind die Aschbach-Großmutter und später die blauhaarige Helix, die auf ihrem Snakeboard in sein Leben fährt. Eines Tages ereignet sich eine Tragödie, die das Wir und die ganze Familie von Grund auf erschüttert: „Eines Tages brachen wir ein ungeschriebenes Gesetz. Wir hörten, dass Mutter im Wohnzimmer zu weinen begann. Doch diesmal gingen wir nicht hinunter. Langsam schlossen wir die Tür und schalteten das Radio ein.” Eine Geschichte vom Kampf gegen die Einsamkeit.

„Allegro Pastell“ von Leif Randt (Kiepenheuer und Witsch)

Eine Geschichte vom Glück im Hier und Jetzt, die bereits im Frühjahr viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Eine Liebesgeschichte, die genau so in der Wohnung nebenan geschehen könnte: Tanja und Jerome sind um die 30 Jahre und führen eine gut funktionierende Fernbeziehung, die ausgewogen zwischen meditativen Joggingausflügen im Maintal und sexpositiven Datenights in Berlin abwechselt. Die beiden sind füreinander da, aber nicht aneinander verloren. Und diese zarte, vielleicht perfekte ruhige Ausgewogenheit wollen sie für sich bewahren. Ein Roman, der durch die fantastische Sprache und das Erzählgeschick des Autors überzeugt.

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Hast Du einen oder mehrere dieser Titel schon gelesen? Hast Du einen Favoriten, wer den Deutschen Buchpreis Deiner Meinung nach gewinnen sollte? Gib uns gerne Feedback unter feedback@skoobe.de, Facebook oder Instagram.

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