Die Menschen der südlichen Nordsee hatten ihre besonderen Mittel, um in ihrer amphibischen Landschaft zurecht zu kommen: flachbodige Schiffe, Wohnstätten auf künstlichen Hügeln, Häuser, in denen sie m
Die Menschen der südlichen Nordsee hatten ihre besonderen Mittel, um in ihrer amphibischen Landschaft zurecht zu kommen: flachbodige Schiffe, Wohnstätten auf künstlichen Hügeln, Häuser, in denen sie mit ihren Tieren gemeinsam lebten, und eben genügsame Haustiere wie die Schafe. An der Küste entwickelten Bauernhändler schon im frühen Mittelalter nach und nach Tauschplätze - einzig aus dem Grund, weil sie ohne Handel und Verkehr auf ihren abgelegenen Wohnstätten gar nicht hätten überleben können. Der Handel und die damit einhergehende Nutzung spezifischer Produktionsmittel, zu denen eben auch die weidliche Nutzung von Schafen gehörte, war Überlebensmittel und Anpassung an die vorgegebene Umwelt zugleich. Für die Zwecke des Tauschens schufen sie sich ein eigenes Währungssystem. Das bestand aus kleinen Silberlingen, die man heute meistens 'sceattas' nennt. Diese 'Erfindung' war nach dem Verschwinden der römischen Währung in der Region wieder ein Schritt hin zu einer abstrakten Verrechnungseinheit, mit der unterschiedlichen Dingen ein verbindlicher Wert zugeordnet werden konnte. Die Domäne dieser Nordseeleute wurde der Tausch von Alltagsobjekten, Gebrauchsgegenständen, Wolle und Tüchern, und sie leisteten in diesem Segment ihren beschleunigenden Beitrag zur Kommodifizierung der Güter und zum Entstehen eines Marktsystems. Das Buch zeigt exemplarisch, wie sich eine Struktur von zunächst einfachen Tauschplätzen entwickelte. Auf dieser Basis entstand eine sich mehr und mehr professionalisierende Kaufmannschaft. Sie brachte mit den Münzen Wertäquivalente in Umlauf, die geeignet waren, den Warenverkehr signifikant zu vereinfachen und zu beschleunigen. In Umlauf brachten sie damit auch eine kulturell neue, quantifizierende Vorstellung von 'Wert', die sich der überkommenen, qualitativen Vorstellung von 'Wert' an die Seite stellte. Um Vertrauen in diese winzigen 'Wertrepräsentanten' herzustellen, mussten diese sich im beginnenden Fernhandel auf spirituelle und politische Weise absichern: Es entstanden Messen und herrschaftlich gesicherte Märkte. Auf diese Weise konnte sich schon recht früh eine marktorientierte Verknüpfung von politischen und kommerziellen Interessen herausbilden. Denn diese Erweiterung der Wertvorstellung konnte ohne weiteres auch auf die Wertigkeit des eigenen Geschäfts bezogen werden: 'Profit', ursprünglich eher unchristlich und wenig legitim, wurde sukzessive zu einem notwendigen und legitimen Resultat der eigenen Arbeit und Mühe erhoben.