Der Berg ruft …

… und es gibt kein Halten mehr. Wandern ist wie ein Episoden-Roman mit 100 Cliffhangern. Nach jeder geschafften Etappe und jedem erklommenen Gipfel kann man es kaum erwarten, das nächste Wanderkapitel in Angriff zu nehmen.

Hummeln wollen nicht Bummeln

Als Büroangestellte brummen bei mir Woche für Woche spätestens am Donnerstagnachmittag die Hummeln im … Allerwertesten. Ich kann es kaum erwarten, endlich an die frische Luft zu kommen. Und mit frischer Luft meine ich hier in München nicht die überfüllte Flaniermeile zwischen Marienplatz und Stachus, und auch nicht die Eisbachwelle im Englischen Garten. Mit frischer Luft meine ich „das Land“.

Dankenswerterweise bieten sich mir als Münchnerin unendliche viele Möglichkeiten, Abenteuer an der frischen Luft zu erleben. Die Berge befinden sich praktisch in greifbarer Nähe. Bei gutem Wetter kann ich die Bergspitzen sogar aus meinem Küchenfenster im vierten Stock sehen. Egal, ob mit der Bahn oder mit dem Auto, bereits nach 45 Minuten stehe ich am Fuß eines Berges. Noch dazu befinden sich dort auch einige malerische Seen, die nicht nur der Abkühlung dienen, sondern die man auch noch ganz wunderbar mit dem Radl erreichen und/oder umrunden kann. Fast jeder Münchner denkt bei diesen Beschreibungen an den Herzogstand am Walchensee, einem der sogenannten „Münchner Hausberge“.

Wandern für die Seele

Ich war den Bergen nicht immer so zugetan. Zwar bin ich mitten im Voralpenland aufgewachsen, die Berge versperrten mir aber Jahre lang „den Blick aufs Meer“. Letztes Jahr änderte sich meine Sichtweise allerdings um 180 Grad: Nach einer wirklich anstrengenden Woche im Büro und einer Hiobsbotschaft in der Familie, die uns alle sehr erschreckt hat, liehen mein Freund und ich uns spontan ein Auto. In dieser Situation konnten wir eh nicht besonders viel machen und fühlten uns Fehl am Platz, ausgelaugt und wahnsinnig gereizt. Also fuhren wir raus „aufs Land“. In die Sommerfrische – wie meine Oma das immer nennt.

Das Ziel war dieses Mal nicht einer der naheliegenden, überfüllten Hausberge, sondern ein echter Geheimtipp: Über dem Spitzingsee erhebt sich der Aiplspitz und gleich nebenan der Jägerkamp. Schon am Wanderparkplatz war ich vom Anblick und vom Ausblick überwältigt. Nur ein schmaler Trampelpfad, vorbei an drei sehr entspannt aussehenden Kühen mit großen goldenen Glocken um den Hals, markierte den Weg hinauf.

Obwohl mein Rucksack mit drei Litern Wasser sowie einer Brotzeit, die für eine halbe Fußballmannschaft gereicht hätte, berstend voll war, fühlte ich mich nach nur wenigen hundert Metern leicht wie eine Feder. Mit jedem Schritt ließ ich die vergangene Woche weiter hinter mir, konnte immer mehr mentalen Ballast abwerfen. Ich beobachtete, wie sich die Natur Höhenmeter für Höhenmeter änderte, wie die Straßengeräusche immer dumpfer wurden und schließlich komplett ausblieben, wie sich mein Atem mit den Schrittgeräuschen meiner Wanderstiefel synchronisierte und wie alle meine Sorgen zu der einzigen zusammenschrumpften: Wie schaffe ich es nur, mir jedes einzige Detail dieses Weges einzuprägen? Die Tour führte uns über üppig blühende Wildblumenwiesen, deren Farbpracht von Kornblumenblau bis Margaritenweiß alle Farben des Regenbogens umfasste, auf ein Plateau, von dem aus wir die Möglichkeit hatten, zwei Berggipfel zu erklimmen.

Je steiler der Anstieg, desto schöner die Aussicht

Eine Bananen-Pause später schlugen wir die Abzweigung nach links ein und erklommen eine kleine Anhöhe, die uns zum Aiplspitz bringen sollte. Dort bot sich ein atemberaubender Blick auf das Gipfelkreuz, das nur noch eine kurze Gratwanderung entfernt, freundlich in der Sonne glänzend auf uns wartete. Also stapften wir munter darauf los, bis ich das erste Mal in meinem Leben vor einen Klettersteig stand. Irritiert blickte ich auf das rot-weiße Graffiti, auf einem Fels etwa zwei Meter über meinem Kopf, das in den Alpen alle Wanderwege markiert. Rechts entlang an der Felswand war ein Drahtseil gespannt. Links der Felswand war … sagen wir jede Menge Luft, dann eine bestimmt Zeit nichts und einige Meter tiefer Felsen.

Etwas irritiert sah in die ebenso erschrockenen Augen meines Freundes, dann griff ich an den warmen Fels und wagte einen ersten Schritt in dieses wunderbare Bergabenteuer. Für mich gab es kein Zurück. Dieser Tag war so wunderschön, ich war schon so hoch gewandert, ich wollte unbedingt meinen Namen in das Gipfelbuch eintragen. Ich schaffe das! Ich habe schließlich auch meine Führerscheinprüfung bei Blitzeis bestanden, da werde ich ja wohl auch bei besten Bedingungen zwei Meter an einem gesicherten Miniklettersteig überleben! So wie hunderte Menschen vor mir.

Wie genau ich es geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Aber auf einmal fühlte ich, wie sich meine Hand auf dieses Gipfelkreuz legte, und ich war angekommen. Bei mir.

Wir machten es uns unter dem Kreuz gemütlich, zogen uns trockene T-Shirts an und packten die Fußballmannschaft Brotzeit aus. Nirgends auf der Welt schmecken Käsebrote mit Tomatenmark und einem sauren Gürkchen besser als am höchsten Punkt eines Berges. Frisch gestärkt und noch voller Endorphin verging die Wanderung zurück zum Plateau wie im Flug. Kurzerhand schlugen wir noch den Weg auf den anderen Gipfel ein, der uns nach unserem Mikroabenteuer wie ein Klacks vorkam. Und auch vom Jägerkamp belohnte uns der Ausblick!

Auffi auf’n Berg, ’naus aus’m Kopf

Seitdem zieht es mich jedes Wochenende „’naus“ (= hinaus). Raus aus der Stadt, raus aus meinem Kopf und hinein in ein kleines Outdoor-Abenteuer. Hinein in blühende Wildblumenwiesen, in duftende Bergwälder und kristallklare Bergseen. Fernab vom Trubel der Großstadt, dorthin, wo das Summen von Bienen und ihren Insektenfreunden stammt, und nicht vom Vibrieren der Trambahnen und dem konstanten Straßenlärm.

Dieser Moment, wenn ich nach Stunden des Anstiegs, der mich manchmal noch über übriggebliebene Schneefelder, manchmal in fast sengender Hitze über abfallende Südhänge führt, das Gipfelkreuz endlich erreiche, ist für mich unendliche Genugtuung. Ich blicke zurück auf all die Höhenmeter und all die Schweißtropfen, die ich hinter mir gelassen habe. Denn das, was ich geleistet habe, habe ich nur aus eigener Muskelkraft und Dank meiner Willensstärke geschafft. Ich habe einen ganzen Berg bezwungen. Dieser Gipfel gehört jetzt mir!

KW-24<em>Blog</em>Wandern_Berg-ruft.jpg

Sehnsucht – Bergsucht

Meine Bergliebe fühlt sich an wie ein unendlich langer Fortsetzungsroman, bei dem jede Woche nur ein Kapitel veröffentlicht wird. Die Geschichte schreitet voran, mal schön, mal spannend, mal mühsam, mal rasant, doch am Ende wartet jedes mal ein kleiner Cliffhanger auf mich, und ich will in der nächsten Woche unbedingt erfahren, welches Abenteuer hinter dem nächsten Kapitel, hinter dem nächsten Gipfel auf mich wartet.

Kurzurlaub für die Seele

Leider hat nicht jeder Glück in der Nähe der Alpen oder gar in den Alpen, in der Schweiz oder in Österreich zu leben. Dennoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, in der Nähe „frische Luft“ zu schnappen. Natürlich gibt es für diese „Draußen-Abenteuer“ auch etwas bei Skoobe.

Besonders empfehlen können wir z.B. „Mikroabenteuer“. Der Autor Christo Foerster lädt darin zu kleinen Outdoor-Abenteuern ein. Diese können nach Feierabend in Angriff genommen werden oder maximal 72 Stunden andauern.

Für alle Wanderfreunde in den west-mitteldeutschen Gebieten, bietet die Reihe „Wanderungen für die Seele“ abwechslungsreiche Touren an.

See- und Wasserfall-Liebhaber finden 150 wunderschöne Inspirationen in „Wild Swimming Alpen“ – in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und Slowenien.

KW23<em>Blog-Bücher</em>Wandern.jpg